Mit der richtigen Ernährung, ausreichender Bewegung, einem intakten Sozialleben und mentaler Fitness kann jede und jeder einiges dazu beitragen, das Gehirn fit zu halten.
Wer kennt es nicht: Man geht in die Küche, um etwas zu holen – doch kaum dort angekommen, hat man vergessen, was es war. Solche Momente sind nicht nur frustrierend, sondern werfen bei vielen die Frage auf, ob sie ein Anzeichen von ernsthaften Gedächtnisproblemen sein könnten. Zum Glück sind derartige Aussetzer meist harmlos. Doch wann sollte man genauer hinsehen, und was kann man tun, um sein Gedächtnis zu stärken?
Das Gehirn: Ein faszinierendes Netzwerk
Unser Gehirn ist ein wahres Wunderwerk. Es besteht aus etwa 86 Milliarden Nervenzellen, die über Synapsen miteinander verbunden sind. Diese komplexen Netzwerke steuern alles – von Gedanken über Bewegungen bis hin zu Emotionen. Das Gedächtnis spielt dabei eine zentrale Funktion und wird in Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis unterteilt: Das Kurzzeitgedächtnis speichert Informationen für einige Sekunden oder Minuten. Zum Beispiel merkt man sich eine Telefonnummer, bis man sie ins Handy eingetippt hat. Das Langzeitgedächtnis hingegen hat die Aufgabe, Informationen über längere Zeit oder sogar ein Leben lang zu speichern. Das kann der Name eines Schulfreundes sein oder etwa Fähigkeiten wie das Radfahren. Damit das Gedächtnis optimal funktioniert, ist eine gute Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Systemen notwendig. Faktoren wie Stress, Schlafmangel, ungesunde Ernährung oder Bewegungsmangel können diese Mechanismen stören.
Energie und Nährstoffe sind essenziell
Unser Gehirn ist ein wahrer Energiefresser. Obwohl es nur etwa zwei Prozent unseres Körpergewichts ausmacht, verbraucht es rund 20 Prozent der gesamten Energie. Und nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der Energiezufuhr ist entscheidend. Damit das Gehirn reibungslos arbeiten kann, benötigt es eine ganze Reihe von wichtigen Nährstoffen. «Omega-3-Fettsäuren etwa sind essenziell für die Funktion der Nervenzellen», erläutert Caroline Fuchs, dipl. Drogistin HF und Co-Betriebsleiterin. «Sie sind in fettreichem Fisch wie Lachs oder in Baumnüssen und Leinöl reichhaltig vorhanden.» Auch B-Vitamine, besonders B12 und B6, sind wichtig für die Bildung von Neurotransmittern, welche die Kommunikation zwischen den Nervenzellen steuern. Antioxidantien wiederum schützen das Gehirn vor freien Radikalen. Sie sind zum Beispiel in Beeren, dunkler Schokolade und grünem Tee enthalten. Nicht zuletzt unterstützen Mineralstoffe wie Magnesium und Zink die Funktion des Nervensystems.
Nahrungsergänzungsmittel ja oder nein?
Für viele Menschen ist es schwierig, alle wichtigen Nährstoffe über die Ernährung aufzunehmen. «Insbesondere für diejenigen, die unter Allergien oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten leiden», weiss Caroline Fuchs. «Aber auch in Zeiten höherer Belastung durch Arbeit oder im Privatleben, in Prüfungsphasen oder während einer Erkrankung können Nahrungsergänzungsmittel eine sinnvolle Ergänzung sein.» Die Expertin empfiehlt in solchen Fällen Omega-3-Kapseln, Vitamin-B-Komplexe oder Magnesiumpräparate, um allfällige Defizite auszugleichen. «Auch Aminosäuren können eine positive Wirkung erzielen, denn sie fördern die Weiterleitung der Signale an die Nerven und Synapsen.» Ältere Menschen profitieren vielfach von der Einnahme von Ginkgo-Präparaten, weil diese die Mikrozirkulation in den Kapillaren des Gehirns fördern. Wichtig ist jedoch die Begleitung durch eine Fachperson, um individuelle Bedürfnisse zu klären und eine Überdosierung zu vermeiden. «Solche Präparate können auch über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Die Fachpersonen in der Drogerie oder Apotheke helfen dabei, die richtige Dosierung zu finden», ergänzt Caroline Fuchs. Eines der einfachsten Mittel, um das Gehirn zu unterstützen: viel Wasser trinken! Denn schon ein leichter Wassermangel kann die Konzentration empfindlich beeinträchtigen. «Es sollten mindestens eineinhalb bis zwei Liter Wasser pro Tag sein», rät die Expertin. Und sie hat einen weiteren wertvollen Tipp: «Achten Sie auf Ihre Darmgesundheit und unterstützen Sie sie mit Ballaststoffen sowie darmgesundheitsfördernden Mikroorganismen, auch Probiotika genannt.»
Wie zeigen sich Gedächtnisstörungen?
Typische Anzeichen können das häufige Vergessen von Namen oder Terminen sein oder Schwierigkeiten, sich an Gespräche oder gelernte Inhalte zu erinnern. Auch Verwechslungen im Alltag wie etwa das Ablegen von Gegenständen an ungewöhnlichen Orten sind ein Hinweis auf Beeinträchtigungen der Gedächtnisleistung. Caroline Fuchs hat immer öfter Kundinnen und Kunden, die in solchen Fällen Unterstützung suchen: «Schon Kinder sind permanent gestresst, sehr viele Menschen gönnen sich zu wenig Entspannung und Ruhepausen. Das Gehirn ist überlastet und Gedächtnisprobleme sind oft die Folge.» Wenn diese nur punktuell auftreten, kann mit geeigneten Präparaten unterstützt werden. Halten diese Störungen jedoch länger an oder verschlimmern sich gar, rät die Drogistin dazu, eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen. «Ein Alarmsignal ist oftmals auch, wenn das Umfeld eine Veränderung an der Person bemerkt.»
Diese Aktivitäten fördern das Gehirn
- Denksportaufgaben wie z.B. Sudoku, Schach, Kreuzworträtsel, Strategie- und Kartenspiele
- Erlernen neuer Fähigkeiten, z.B. eine neue Sprache, ein Musikinstrument oder Programmieren
- Ausdauersport, z.B. Laufen, Schwimmen, Radfahren
- Kreative Tätigkeiten wie z.B. Basteln, Malen, Zeichnen oder Musizieren
- Soziale Interaktion, z.B. Debattieren, tiefgründige Gespräche führen
- Bewegung an der frischen Luft
- Regelmässiger und erholsamer Schlaf
- Lesen und Schreiben, z.B. Geschichten oder Gedichte selbst verfassen
- Tanzen (mit oder ohne Choreografie)
- Ausgewogene Ernährung, z.B. mit Nüssen, Beeren und gesunden Fetten
- Gehirnjogging-Apps benutzen
- Krafttraining

Annelies Roncari
Präsidentin Schweizerischer Verband für Gedächtnistraining
Was sind die häufigsten Gründe, warum Menschen Gedächtnisprobleme entwickeln?
Gedächtnisprobleme können bei Personen in jedem Alter auftreten. Viele ältere Menschen bemerken, dass ihr Gedächtnis nachlässt, wenn sie pensioniert sind. Dann fällt die Tagesstruktur weg. Man muss sich nicht mehr so viel merken und denkt sich: «Das brauche ich eh nicht mehr.» Doch so nimmt die Fähigkeit zur Konzentration ab und die Gedächtnisleistung sinkt. Aber auch jüngere Menschen haben zunehmend Probleme mit ihrer Merkfähigkeit. Bei diesen ist die Ursache oft Stress, sie haben buchstäblich zu viel im Kopf. Und sie gönnen sich zu wenig Pausen. Das Gehirn ist überreizt, weil es nie abschalten kann.
Wie lässt sich entgegenwirken?
Für ältere Menschen ist es ganz wichtig, aktiv zu bleiben und immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Auch ein intaktes Sozialleben trägt dazu bei, das Gehirn aktiv zu halten. Wenn hingegen Stress und Überreizung die Ursachen sind, hilft es, mal einen Gang herunterzuschalten. Ausreichend Schlaf und Auszeiten vom Alltag, in denen man sich den Dingen widmen kann, die einem Spass machen, helfen dabei. Und für alle gilt: Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, viel Bewegung in der Natur und genügend Schlaf fördert die Gedächtnisleistung.
Welche praktischen Übungen empfehlen Sie, um das Gedächtnis im Alltag fit zu halten?
Eine meiner Lieblingsübungen, die ich auch selbst mache, ist das Rückwärtsbuchstabieren. Ich sehe eine Fensterbank und buchstabiere das Wort retour. Oder zählen Sie die Autonummern der vorbeifahrenden Autos zusammen, wenn Sie irgendwo warten müssen. Auch die Motorik kann man im Alltag trainieren. Wenn Sie Rechtshänderin sind, nutzen Sie bewusst die linke Hand, etwa beim Zähneputzen, beim Türaufschliessen oder beim Essen. Dann muss die Motorik im Kopf arbeiten. Aber Achtung, sobald Sie es beherrschen, ist es Routine. Dann muss ein neuer Trainingsreiz her.