Sepsis

Ratgeber / Gesundheit

Sepsis: Wunden als Risiko

25.04.2023 / von 

Ein Holzsplitter hat sich in den Finger gebohrt, beim Rüsten entstand eine tiefe Schnittwunde oder der Stachel einer Wespe steckt im Fuss. Aus einer vermeintlich kleinen Verletzung kann eine Sepsis mit schwerwiegenden Folgen entstehen.

Verletzungen oder Wunden dienen Erregern (Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten) als willkommene Eingangspforte in den Körper. Dringen sie ein, antwortet dieser mit einer Entzündung auf die Krankheitserreger. Generell kann sich aus allen Infektionen eine Sepsis entwickeln. Neben Wunden zählen Lungenentzündungen, Harnwegsinfekte, Entzündungen im Bauchraum und Hirnhautentzündungen zu den häufigsten Ursachen.

Eine Entzündung gilt als Schutzmechanismus des Körpers: Botenstoffe des Immunsystems werden an die betroffene Stelle transportiert, um dabei zu helfen, die Infektion in Schach zu halten und verletzte Zellen abzutöten. Diese Botenstoffe bewirken auch eine Erweiterung der Blutgefässe, sodass das Entzündungsgebiet besser durchblutet wird. Ausserdem werden die Gefässe durchlässiger für den Austritt von Blutplasma und Immunzellen ins Gewebe. Eine Entzündung äussert sich oft durch Hautrötung, Wärme, Schwellung, Pochen und Schmerzen. Die Gefährlichkeit einer Entzündung hängt stark von der Lokalisation der Verletzung ab. An den Enden von Körpergliedern, also an Fingern oder Zehen, hat es nur noch kleinere Gefässe, das Gewebe ist wenig durchblutet. Abwehrstoffe haben es schwerer, in diese Bereiche zu gelangen, folglich kann sich dort eine Entzündung schneller und stärker ausbreiten. Infektionen sind deshalb seltener an einem Oberschenkel oder an der Wade zu beobachten.

Wie entsteht eine Sepsis?

Wird die Infektion nicht oder ungenügend behandelt, dringen immer mehr Erreger durch die durchlässigen Gefässe, durchbrechen die natürliche Immunabwehr und gelangen in die Blutbahn. Die Anzeichen der Entzündung werden stärker. In manchen Fällen ist bei der Verletzung am Finger selbst oder am Unterarm eine rötliche Linie zu erkennen. Dabei handelt es sich um eine entzündete Lymphbahn, welche die Ausbreitung der Entzündung anzeigt, aber nicht bei jeder Sepsis auftritt. Ist dieses Stadium allerdings erreicht, haben die Bakterien bereits begonnen, sich im Körper auszubreiten. Je nach Art befallen sie nun schneller oder weniger schnell mehrere Organe. Es kommt zu Körpertemperaturschwankungen und Abfall des Blutdrucks, folglich wird der Allgemeinzustand schlecht, Betroffene fühlen sich sehr krank. Bei solchen Symptomen handelt es sich um einen medizinischen Notfall. Die sofortige Gabe von einem Antibiotikum wird notwendig, um die weitere Streuung der Bakterien zu stoppen. Gelingt das nicht oder nur ungenügend, kommt es zu einer Sepsis, einem lebensbedrohlichen Multiorganversagen. Auch wenn die Streuung der Bakterien durch die Einnahme von Antibiotika aufgehalten wird, sind Komplikationen möglich. Je nach Art des Bakteriums und Schwere der Infektion kann ein lokaler, irreversibler Schaden mit schwerwiegenden Folgen entstehen.

Risiko geschwächtes Immunsystem

Grundsätzlich kann jede Person, unabhängig von Alter und Geschlecht, an einer Sepsis erkranken. Als Risikopatientinnen und -patienten gelten Krebsbetroffene, die mit einer Chemotherapie behandelt werden, Seniorinnen und Senioren, chronische Nieren- und Leberkranke, Alkohol- und Drogenabhängige sowie Diabetikerinnen und Diabetiker. Bei Letzteren ist insbesondere an den Füssen die Empfindung stark reduziert, wodurch Entzündungen erst spät als solche erkannt werden. Doch auch Menschen mit einem künstlichen Hüftgelenk oder einer künstlichen Herzklappe sind anfälliger für eine Sepsis. Bakterien, die zirkulieren und beispielsweise an ein künstliches Gelenk gelangen, erfahren vor Ort keine natürliche Abwehr und haben leichtes Spiel, sich zu vermehren und weiterzuverbreiten.

Wunden richtig versorgen

Die wichtigsten Vorsorgemassnahmen, um eine Sepsis zu verhindern, sind Hygiene und das korrekte Behandeln einer Wunde. Steckt etwa ein Holzsplitter im Finger fest, gilt es, diesen sorgfältig zu entfernen. Bereits bei diesem Schritt spielt die Hygiene eine zentrale Rolle: Sowohl Hände als auch Pinzette sollten gut gereinigt sein. Nach der Entfernung wird die Wunde mit einem flüssigen Mittel desinfiziert – Sprays und Lösungen treiben das Ausschwemmen von möglichen Krankheitserregern zusätzlich voran. Um das Eindringen weiterer Bakterien zu vermeiden, wird die Wunde abgedeckt und vor Schmutz geschützt. Die Apotheken bieten professionelle Wundversorgungen für unterschiedliche Verletzungen an. Die Fachpersonen beraten fundiert rund um Vorsorgemassnahmen, passende Verbandsmaterialien und ideale Wunddesinfektionsmittel.

Revolution durch Desinfektion

Der ungarische Arzt Ignaz Semmelweis fand vor über 200 Jahren heraus, dass das Desinfizieren Leben retten kann. Semmelweis war Assistenzarzt an der ersten Wiener Klinik für Geburtshilfe, die aus zwei Abteilungen bestand. Auf der einen waren Ärzte und Medizinstudierende verantwortlich, auf der anderen Nonnen. Während bei Letzteren Kindbettfieber mit tödlicher Blutvergiftung fast nicht vorkam, starben auf der Station mit den Ärzten zwischen 5 und 15 Prozent der Frauen daran. Nach unzähligen Untersuchungen fand Semmelweis heraus, dass Ärzte und Studierende nach Autopsien direkt zu den jungen Müttern ans Bett kamen. Der Assistenzarzt erkannte den fatalen Zusammenhang zwischen unsauberen Händen und erkrankten Wöchnerinnen. Als Folge führte er die umständliche Desinfektion mit Chlorsalz ein und erntete dafür heftige Kritik. Hygiene galt damals als reine Zeitverschwendung, seine Erkenntnisse wurden als «spekulativer Unfug» abgetan. Doch die Sterberate ging zurück und Semmelweis ging als «Retter der Mütter» und Pionier in die Medizingeschichte ein.

Sylvie Wäsch
Neben einer kleinen Hausapotheke für daheim lohnt es sich auch, auf kleinen Ausflügen eine Taschenapotheke mitzutragen.

Sylvie Wäsch

Eidg. dipl. Apothekerin und Betriebsleiterin

Welches sind Warnzeichen für eine Sepsis bei einer Wunde am Finger?

Wenn sich die Entzündung rasch verschlimmert, die Stelle anschwillt, stark schmerzt und gar pocht, sollte dringend ärztlicher Rat eingeholt werden. Vor allem wenn Kinder betroffen sind, empfehle ich den Eltern, einen Kinderarzt aufzusuchen. Die Kleinen können ihre Beschwerden oft schlecht in Worte fassen.

Die Entstehungsformen einer Sepsis sind vielseitig.

Genau. Eine Sepsis ist ein lebensbedrohlicher Zustand, der rasche Hilfe erfordert. Während die Symptome z.B. mit Antibiotika bekämpft werden und das Herz-Kreislauf-System stabilisiert wird, machen sich die Ärzte auf die Suche nach dem Ursprung der Infektion, um diese zu behandeln.

Welchen Rat haben Sie für den Alltag?

Neben einer kleinen Hausapotheke für daheim lohnt es sich auch, auf kleinen Ausflügen eine Taschenapotheke mitzutragen. Wichtig sind Desinfektionsspray, Pinzette und einfaches Verbandsmaterial. Bei Wunden rate ich, ein Fotoprotokoll zu machen, um später Veränderungen nachvollziehen zu können.

Welche Situationen einer möglichen Sepsis werden eher unterschätzt?

Die Keime der Mundhöhle sind heikel, wenn sie ins falsche Gewebe eindringen. Sie können sich beim Verletzen des Zahnfleisches über die Blutbahn verteilen und Schäden an anderen Organen verursachen. Auch werden Katzen- oder Menschenbisse unterschätzt, weil dadurch fremde Mundhöhlenkeime übertragen werden können. Nach diesen Verletzungen sind ein Arztbesuch und oftmals die Einnahme eines Antibiotikums erforderlich.

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