Migräne

Ratgeber / Gesundheit

Migräne: Die Qual im Kopf

24.01.2022 / von 

Kündigt sich ein Migräneanfall an, muss es schnell gehen. Neben hoch dosierten Schmerzmitteln kommen bei der Behandlung auch sogenannte Triptane zum Einsatz.

Mit über einer Million Betroffenen ist Migräne in der Schweiz weitverbreitet. Im Volksmund wird sie oft im selben Atemzug wie Kopfschmerzen genannt, die Beschwerden lassen sich allerdings klar voneinander abgrenzen. Während Spannungskopfschmerzen in der Regel wellenförmig auftreten und sich meist durch einen dumpfen, helmähnlichen Schmerz äussern, sind Migräneattacken heftig pochend, meist einseitig und manchmal begleitet von Licht- und Geräuschempfindlichkeit sowie Übelkeit und Erbrechen. Auch die Dauer ist unterschiedlich: Klassisches Kopfweh hält von 30 Minuten bis zu einer Woche an. Ein Migräneanfall dauert durchschnittlich vier Stunden bis drei Tage und kann den Alltag von Betroffenen so stark einschränken, dass dessen Bewältigung quasi unmöglich wird. Im Gegensatz zum Spannungskopfschmerz geht bei der Migräne häufig ein sogenanntes Prodrom voraus. Dabei handelt es sich um ein Frühwarnzeichen für eine bevorstehende Attacke in Form von Stimmungsschwankungen, Nackenschmerzen, Heisshunger, Appetitverlust oder Übelkeit. Ein Viertel der Betroffenen leidet zudem an einer sogenannten Aura, die kurz vor der eigentlichen Schmerz­phase beginnt und zeitweise das Sehvermögen, Empfinden, Gleichgewicht oder die Sprache beeinträchtigt – oft werden dabei schimmernde, zickzackartige oder blitzende Lichter wahrgenommen.

Unterschied zwischen den Geschlechtern

Migräne sollte in jedem Fall ärztlich diagnostiziert werden, eine neurologische Untersuchung ist dabei bestenfalls miteingeschlossen. Ins­besondere Menschen über 50 Jahre wird bei andauernden, nicht nachvollziehbaren Kopf-schmerzen der Gang zur Ärztin oder zum Arzt empfohlen. Die Ursachen von Migräne sind noch nicht vollständig erforscht, oft wird auch eine familiäre Vorgeschichte beobachtet. Zudem tritt bei Menschen mit einem verhältnismässig empfindlichen Nervensystem Migräne etwas häufiger auf. Interessant ist der Verlauf über die Lebensphasen: Während in der Kindheit und Pubertät die Geschlechter gleichermassen betroffen sind, kippt das Verhältnis bei den jungen Erwachsenen. Im erwerbsfähigen Alter leiden mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer an Migräne. Ab einem Alter von ca. 60 Jahren, also dann, wenn frau die Wechsel­jahre meist bereits durchlebt hat, nähern sich die Zahlen wieder an und die Häufigkeit ist am wenigsten ausgeprägt. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass Östrogen, ein wichtiges weibliches Hormon, offenbar Migräneanfälle auslösen kann. Vor allem wenn dessen Spiegel steigt oder schwankt, etwa in der Pubertät sowie während oder kurz nach der Menstruation, erleben betroffene Frauen häufig Migräneattacken. In den letzten drei Monaten der Schwangerschaft hingegen, wenn der Hormonspiegel relativ stabil ist, kommt es in der Regel seltener zu Beschwerden.

Individueller Umgang mit der Krankheit

Eine komplette Heilung von Migräne gibt es bislang nicht. Während eines Anfalls fühlen sich die Leidtragenden stark eingeschränkt bis total ausgeliefert. Um adäquat reagieren zu können, lohnt sich eine Auseinandersetzung mit der Krankheit und deren Verlauf. Bewährt haben sich Migränetagebücher. In diesen wird detailliert festgehalten, wann die Attacken auftreten. Bei­­spielsweise leiden viele am Wochenende, wenn der Schlaf-wach-Rhythmus wechselt, nach dem Verzehr von bestimmten Nahrungsmitteln, bei Wetterveränderungen, nach dem Genuss von Alkohol, während Stress oder Hormonschwankungen. Werden Muster erkennbar, kann gezielter reagiert und therapiert werden. Schmerzstil­lende Mittel, im Fachjargon Analgetika, werden zu Beginn eines Anfalls hoch dosiert und vorzugsweise in Form von Brausetabletten oder in Sachets mit löslichem Wirkstoff eingenommen, so gelangt dieser schneller ins Blut. Besteht auch Übelkeit oder Erbrechen, ist die Gabe eines motilitätsfördernden Mittels ratsam, das dagegen helfen kann.

Kopfweh durch Schmerzmittel?

Der häufige Einsatz von Schmerzmitteln kann tückische Folgen haben: 10 bis 15 Dosen pro Monat reichen aus, um die sogenannte Schmerzhemmschwelle zu senken. Infolgedessen werden Kopfschmerzen schneller stärker wahrgenommen. Dem wird wiederum mit einem Schmerzmittel entgegengewirkt. Das führt zu einem Teufelskreis, der in schwerwiegenden Fällen durch einen stationären Schmerzmittelentzug gekappt werden soll.

Therapie mit Triptanen

Neben den klassischen schmerzstillenden Mitteln kennt die Migränetherapie die sogenannten Triptane. Sie greifen in den Stoffwechsel des Botenstoffs Serotonin ein. Ist dieser Stoffwechsel gestört, funktioniert der «Schmerz­filter» nicht mehr vollständig, Schmerzinformationen können leichter durch die erweiterten Gefässe fortgeleitet werden. Triptane besetzen die Bindungsstellen von Serotonin an der Gefässwand, hemmen die Ausschüttung von entzün­dungs­fördernden Botenstoffen und dämpfen die Schmerzleitung ab. Das kann helfen, dass sich die Blutgefässe nicht erweitern. So wird die Schmerzweiterleitung vermindert und die Migräneattacke unterbrochen. Diese Medikamente werden im Gegensatz zu den Schmerzmitteln erst nach einer allfälligen Aura, also dann, wenn die eigentliche Schmerzphase beginnt, eingenommen. Aufgrund ihrer spezifischen Wirkungsweise helfen sie bei Migräne und Cluster-Kopfschmerz, nicht aber bei Spannungskopfweh. Bei lang andau­ernden Anfällen reicht eine Dosis allenfalls nicht aus, die Medikamentenwirkung ist dann quasi kürzer als die Beschwerden selbst. Triptane wirken nicht alle gleich – je nach Beschwerden braucht es Geduld, um das passende Mittel zu finden. Die meisten Serotonin-Agonisten helfen auch bei Übelkeit sowie Licht- und Lärmempfindlichkeit.

Triptane: Neue Möglichkeiten

Seit Sommer 2021 können Apothekerinnen und Apotheker in der Schweiz Triptane zur Behandlung von Migräne rezeptfrei abgeben. Voraussetzung ist ein persönliches Gespräch mit Fragen zu me­dizinisch relevanten Infor­mationen, die dokumentiert werden. Es wird eine Beratungspauschale verrechnet.

Sylvie Wäsch
Während eines Migräneanfalls brauchen Betroffene in erster Linie Ruhe.

Sylvie Wäsch

Eidg. dipl. Apothekerin und Betriebsleiterin in Uster

Wie läuft eine Abgabe von Triptanen in der Apotheke ab?

Ich empfehle den Besuch in der Apotheke mit einem klaren Kopf, also nicht während einer Migräneattacke. So können wir ein vertieftes Gespräch führen. Voraussetzung für die Abgabe eines Triptans ist eine vorgängige Migränediagnose durch einen Arzt. Um herauszufinden, welches Präparat sich am besten eignet, bespreche ich die individuellen Beschwerden und kläre auch die anderen medizinischen Grundfragen ab. Die wichtigsten Erkenntnisse vermerke ich im Patientendossier.

Gibt es Möglichkeiten, Migräne vorzubeugen?

Die Basis sind eigentlich immer das Erkennen und das Auseinandersetzen: Wer weiss, wann und weshalb es zu einem Anfall kommt, kann den Lebensstil anpassen oder Wege für den Umgang mit der Erkrankung lernen. Regelmässig leichtes Ausdauertraining, frische Luft und Stressabbau lassen sich in den Alltag einbinden. Ebenfalls bewährt haben sich Magnesiumpräparate oder Neurostimulation – meistens braucht es einen bunten Strauss an Massnahmen.

Wie verhalten sich die Mitmenschen von Migränegeplagten im Idealfall?

Mit Verständnis und indem sie all­fälligen Druck auf die Person mindern. Stress triggert die Beschwerden nämlich zusätzlich. Ebenfalls wichtig ist eine Rückzugsmöglichkeit weg von Lärm, während eines Anfalls brauchen Betroffene in erster Linie Ruhe.