Alle kennen ihn, viele fürchten ihn: Stress. Doch wie Menschen auf Druck reagieren, ist so individuell wie ihre Persönlichkeit. Eustress heisst die positive Belastungszone, Distress die negative.
Schneller, höher, weiter: Was einst das Motto der Olympischen Spiele war, klingt heute wie die Anforderungen des Alltags. Zwischen Berufstätigkeit, Familie und den Folgen der Corona-Pandemie haben viele Menschen das Gefühl, atemlos unterwegs zu sein. Die Belastungen steigen, die eigenen Kräfte hingegen sind beschränkt. Stress ist das wahrgenommene Ungleichgewicht zwischen diesen beiden Seiten. Kaum jemand würde Stress wohl als etwas Hilfreiches beschreiben. Dabei hat er eigentlich eine wichtige Funktion.
Bei akutem Stress laufen Prozesse im Körper ab, die sich nicht willentlich steuern lassen. Der Sympathikus wird aktiviert – jener Teil des Nervensystems, der unter anderem für Flucht und Kampf zuständig ist – und verschiedene Hormone werden ausgeschüttet: etwa Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol. Evolutionsbiologisch handelt es sich um eine uralte Antwort des menschlichen Körpers auf Gefahr. Der Blutdruck steigt, das Herz schlägt rascher, der Atem beschleunigt sich, die Muskeln sind angespannt. Unseren Vorfahren hat diese Reaktion das Überleben gesichert. In der heutigen Gesellschaft sind es weniger Hunger, Kälte oder Angriffe, die Stress auslösen – sondern Reizüberflutung, Zeit- und Leistungsdruck oder Konflikte.
Ursprung der Stressforschung
In der Regel schafft es der menschliche Organismus, sich von stressigen Phasen zu erholen. Erst wenn jemand permanent unter Strom steht, wird es ungesund. Der Mediziner und Chemiker Hans Selye (1907–1982) gilt als Vater der Stressforschung. Auf ihn geht auch die Unterscheidung in Distress und Eustress zurück, die heute eine grosse Rolle spielt. Die lateinische Vorsilbe «-dis» steht dabei für negativ, die griechische Vorsilbe «-eu» für positiv oder gesund.
Guter und schlechter Stress?
Tatsächlich gibt es Varianten von Stress, die sich unterschiedlich auf den Körper, die Psyche und das Gehirn auswirken. Eustress tritt auf, wenn Menschen grosse Freude und Aufregung verspüren oder ein besonders schönes Ereignis erwarten – etwa den Zieleinlauf beim Marathon oder die Geburt eines Kindes. In diesem Fall beflügeln die ausgeschütteten Hormone und setzen Kräfte frei. So gross eine Aufgabe sein mag, sie wird als lösbar empfunden. Umgekehrt beim Distress: Er entsteht aus Sorgen und Ängsten sowie dem Gefühl von Überforderung, etwa angesichts beruflicher Pflichten oder der digitalen Dauererreichbarkeit. Dieser als negativ empfundene Stress hemmt, blockiert und macht einen reizbar und erschöpft.
Trennscharf ist der Unterschied zwischen positivem und negativem Stress indes nicht. Die Grenzen können fliessend sein – wenn zum Beispiel eine Geburt so lange dauert, dass die anfängliche Euphorie der Mutter in Erschöpfung umschlägt. Hinzu kommt, dass wir alle individuell auf Druck reagieren: Manche Menschen sind belastbarer und fühlen sich länger im «grünen Bereich» als andere.
Jeder reagiert anders auf Stress
Das führt zur Frage, welche Faktoren – man spricht von Stressoren – überhaupt die Belastung auslösen. Mentale Stressoren hängen stark von persönlichen Werten ab. Wer perfektionistisch ist, bleibt schneller hinter den eigenen Ansprüchen zurück; wer es allen recht machen will, wird nie mit der Arbeit fertig. Entscheidend ist oft das Selbstbild: Wer das Gefühl hat, einer Situation nicht gewachsen zu sein, bewertet sie eher als bedrohlich. Soziale Stressoren hingegen entspringen zwischenmenschlichen Beziehungen. Es handelt sich etwa um Einsamkeit, ungelöste Konflikte, Trennung oder Verlustängste. Weiter lösen äussere Reize wie Lärm, Hitze, Zeitdruck oder Schlafmangel Stress aus.
Schlafstörungen können nicht nur ursächlich sein für Stress, sondern gelten auch als klassisches Stresssymptom. Wer nachts Sorgen wälzt statt Ruhe findet, steuert auf einen Teufelskreis zu. Denn ausreichend Schlaf ist für den Körper wichtig, um sich zu regulieren. Schüttet er jedoch permanent Stresshormone aus, kann dies krank machen. Insbesondere zu hohe Dosen von Kortisol sind gefährlich, wie die Forschung zeigt. Anhaltender negativer Stress schwächt die Abwehrkräfte des Körpers und begünstigt schwerwiegende Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes, Magengeschwüre, Depressionen oder Angstzustände.
Regelmässige Pausen helfen
Doch auch nach Phasen von positivem Stress ist es wichtig, Körper und Geist ruhen zu lassen. Das Hormonsystem soll herunterfahren, damit Eustress sich nicht in Distress verwandelt. Sind das Vorstellungsgespräch, die wichtige Prüfung oder der Wettkampf erfolgreich bewältigt, gönnt man sich also am besten bewusst eine Pause. So wird die erlebte Belastung auch nachträglich positiv bewertet, was das Selbstvertrauen stärkt.
Schneller, höher, weiter: Manchmal muss das sein – und wir Menschen sind dafür durchaus gewappnet. Die Reaktion auf Stress liegt uns im Blut. Ihn ganz vermeiden zu wollen, wäre sinnlos. Entscheidend ist, wie es um die eigene Stress-Kompetenz steht: sich selbst und seine Stressauslöser kennen; im Alltag auf den Körper hören und genügend Pausen einbauen; wissen, wie man in hektischen Zeiten Ausgleich findet. Bewegung und Sport gelten als Wundermittel, um Stresshormone abzubauen. Gold wert ist auch, das Handy wegzulegen und mit Achtsamkeitsübungen, autogenem Training oder Yoga zu entspannen. Oder einfach nur: gesund kochen, gemeinsam essen, genügend schlafen – und freundlich zu sich selbst sein.
Distress (negativer Stress)
- Blockiert, hemmt
- Mindert die Leistungsfähigkeit
- Anhaltende Überlastung
- Hält den Körper durch Ausschüttung von Stresshormonen ständig in Alarmbereitschaft
- Langfristig schädlich für Immunsystem, Herz-Kreislauf-System, Verdauungsorgane, Psyche
Eustress (positiver Stress)
- Motiviert, treibt an
- Erhöht die Leistungsfähigkeit
- Kurzfristige Anspannung
- Auf Energieaufbau sollte Regeneration folgen (Abbau von Stresshormonen)
- Kann die körperliche und mentale Gesundheit unterstützen
Hansjürg Habegger
Eidg. dipl. Drogist und Co-Inhaber zweier Drogerien
Wie findet man für sich selbst einen guten Umgang mit Stress im Alltag?
Wichtig ist, sich bewusst zu werden, was den Stress auslöst. Ist es die berufliche Situation? Oder sind es eher die eigenen Ansprüche? Stress kann zu körperlichen oder psychischen Symptomen führen. Wer den Auslöser kennt, kann gezielt daran arbeiten.
Wie bereitet man sich innerlich auf Stressphasen vor?
Ein ausgewogenes Multivitaminpräparat bildet eine gute Basis. Wichtiger denn je ist auch, das Darmmikrobiom gezielt mit Bakterienstämmen zu versorgen. Weiter empfehle ich die Anwendung von Spagyrik. Die Essenzen mischen wir abgestimmt auf die Symptome. Spagyrische Essenzen werden mehrmals täglich in den Mund gesprüht. Auch Präparate mit Rosenwurz können hilfreich sein.
Wie gönnt man sich nach einem stressigen Tag die nötige Ruhe und Entspannung?
Zuerst gilt es herauszufinden: Was gibt mir Energie und löst meinen Stress? Den einen tut am Abend ein Bad mit ätherischen Ölen – etwa Lavendel – gut, andere bewegen sich lieber in der Natur, und manchen hilft bewusstes Atmen. Sich selbst und seine Bedürfnisse wahrzunehmen, halte ich für die wichtigste Voraussetzung, um Ausgleich zu finden.