Fleischlose Ernährung liegt im Trend. 14 Prozent der Schweizer Bevölkerung ernähren sich vegetarisch oder vegan, weitere 17 Prozent essen selten Fleisch. Aber Achtung: Auch Vegetarier sollten auf eine ausgewogene Ernährung achten.
Von Ethik über Religion bis zur Umwelt: Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb jemand beim Essen auf Fleisch, Fisch oder gar komplett auf tierische Produkte verzichtet. Einer der häufigsten Gründe ist jedoch der Wunsch nach einer gesunden Ernährung, die dem Körper guttut, seine Organe schont und ihm alle wichtigen Nährstoffe zuführt. Doch ist eine vegetarische Ernährung automatisch gesund? Worauf sollten Menschen achten, die auf Fleisch verzichten? Die Antworten auf diese Fragen hängen stark davon ab, wie die fleischlose Ernährung im Detail aussieht.
Von Frutariern, Pescetariern oder Puddingvegetariern
Es gibt grundsätzlich vier Arten von Vegetarismus. Sie unterscheiden sich darin, auf welche Arten von Lebensmitteln verzichtet wird und welche erlaubt sind. Die meisten Menschen, die sich fleischlos ernähren, verzichten lediglich auf getötete Tiere. Sie gehören den Ovo-Lacto-Vegetariern an und nehmen Eier- und Milchprodukte zu sich. Die Lacto-Vegetarier lassen auch Eier und Produkte, die solche enthalten, weg. Die Ovo-Vegetarier wiederum nehmen Eier zu sich, aber verzichten auf Milch und Milchprodukte. Die vierte Gruppe verzichtet komplett auf alle tierischen Produkte. Die streng vegetarische Kost – auch als vegane Kost bekannt – schliesst auch Produkte wie Honig und Gelatine aus.
Neben diesen Hauptgruppen gibt es noch die Frutarier, die sich nur von pflanzlichen Erzeugnissen ernähren, wenn die Pflanze dabei keinen Schaden nimmt, sowie die Pescetarier, bei denen alle Fischarten und Meeresfrüchte auf dem Speiseplan vorkommen dürfen. Dass eine vegetarische Ernährung nicht mit einer gesunden Ernährung gleichzusetzen ist, zeigen die Puddingvegetarier. Bei ihnen stehen fleischlose Fertigprodukte und Süssigkeiten im Vordergrund, die wegen ihrer hohen Kalorienzahl und einer nicht optimalen Zusammensetzung der Nährstoffe negative Folgen für die Gesundheit haben.
Wichtig: vielfältige Ernährung im Alltag
Ob fleischlos oder nicht, eine ausgewogene Ernährung liefert die für den Körper wichtigen Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Fette, Eiweisse, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente in ausreichender Menge. Wer wie die Ovo-Lacto-Vegetarier lediglich auf Fleisch und Fisch verzichtet, nicht aber auf Eier und Milchprodukte, muss sich bei abwechslungsreicher Kost wenig Sorgen machen. Eine solche Ernährung entspricht weitgehend der Empfehlung der Schweizer Lebensmittelpyramide. Das heisst, die Flüssigkeit als Basis, dann Obst und Gemüse, danach Kohlenhydrate, Eiweiss und zuoberst auf der Pyramide wenig Fette und Süssigkeiten. Ein Mangel an wichtigen Proteinen, Folsäure, Vitamin B12, Kalzium und Kalium ist bei dieser Art der Ernährung kaum zu befürchten. Im Gegenteil: Durch die bewusste Ernährung sind die klassischen Vegetarier sogar schlanker und gesünder, wie neuere Studien zeigen.
Wer jedoch auf Eier- und/oder Milchprodukte verzichtet, braucht unbedingt eine gute, alternative Proteinquelle. Zu den Top-Eiweissen für Vegetarier gehören Quark auf Sojabasis, Hülsenfrüchte, Kerne, Nüsse, Tofu, Eier (für Ovo-Vegetarier), Milch (für Lacto-Vegetarier), Hanfpulver oder Quinoa.
Biologische Wertigkeit: eine Frage der Kombination
Die reine Aufnahme von Proteinmengen sorgt jedoch noch nicht dafür, dass dem Körper auch ausreichend Proteine zur Verfügung stehen, die er nutzen kann. Diese Nutzbarkeit hängt von der Qualität der Eiweisse ab. Je höher die Wertigkeit des aufgenommenen Proteins ist, desto weniger braucht es davon, damit der Körper genügend versorgt ist.
Um die Eiweissqualität zu berechnen, gibt es verschiedene Arten. Weit verbreitet ist die biologische Wertigkeit. Sie hat das Hühnerei als Referenz mit einem Wert von 100. Im Vergleich dazu kommt die Milch auf 90, Reis auf 80 und die Kartoffel auf 70. Spannend wird es aber in der Kombination: Rösti mit Spiegelei zum Beispiel erreicht eine biologische Wertigkeit von 136. Das liegt daran, dass sich die Aminosäuren der beiden Produkte sehr gut ergänzen und so weniger Verluste auftreten, als wenn sie einzeln verzehrt würden. Für Vegetarier heisst das, ein besonderes Augenmerk auf die Zusammenstellung der Lebensmittel zu richten, damit ihr Körper mit hochwertigen Proteinen versorgt wird.
Nährstoffmangel bei vegetarischer Ernährung
Nicht nur Eiweisse, sondern auch Eisen wird vom Körper unterschiedlich aufgenommen. Eisen aus Pflanzen ist für den Verdauungsapparat wesentlich schwieriger zu verwerten als das Eisen aus tierischen Quellen. Deshalb sollten bei einer vegetarischen Ernährung stets mögliche Mangelerscheinungen im Auge behalten werden. Zu den Folgen einer Unterversorgung mit Eisen gehören Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Blässe, Haarausfall und auch eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte.
Auch Vitamin B12 kommt in ausreichenden Mengen nur in tierischen Lebensmitteln vor. Wer also Eier und Milch auf seinen Speiseplan setzt, hat zwei starke Quellen zur Verfügung. Schwieriger wird es für Veganer. Vitamin B12 ist sehr wichtig für unseren Körper, weil es zahlreiche Stoffwechselfunktionen beeinflusst, besonders bei der Blutbildung, im Nervensystem und bei der Entgiftung. Ein Mangel wird oft erst spät entdeckt, weil der Körper in den ersten Jahren vom eigenen Vitamin-B12-Speicher in der Leber zehren kann. Beim kompletten Verzicht auf tierische Produkte empfiehlt es sich daher, eine geeignete Nahrungsergänzung einzunehmen. Lassen Sie sich dazu beraten.
Auch eine Supplementierung der essenziellen Fettsäuren EPA und DHA sollte in Betracht gezogen werden, weil diese hauptsächlich in Fischprodukten vorkommen. Für Veganer gibt es Produkte auf Algenbasis, die sich als Ersatz eignen. Während spezieller Lebensphasen, zum Beispiel während einer Schwangerschaft, in der Stillzeit, im Wachstum, im Alter oder bei dauerhaft hohem Stresslevel und wenn intensiv Sport getrieben wird, sollte der Einsatz einer Nahrungsergänzung geprüft werden. Das kann unter Umständen auch bei einer nicht vegetarischen Ernährung durchaus sinnvoll sein.
Hätten Sie es gewusst?
Sie haben sich für eine Ernährung ohne Tierprodukte entschieden und greifen genussvoll zu einer Tüte Gummibärchen. Vorsicht! Was überhaupt nicht nach Fleisch aussieht oder schmeckt, kann trotzdem tierische Zutaten enthalten. Die Gelatine vieler Gummibärchen zum Beispiel wird aus Tierknochen gewonnen, die berühmte Worcestershire Sauce ist im Originalrezept mit Sardellen angereichert, und auch Brot- oder Müeslivarianten können Spuren von Tierprodukten enthalten.
Sogar Wein ist für Veganer heikel. Die Trauben als Grundstoff sind bedenkenlos, aber in der Herstellung greifen die Produzenten manchmal zu Hilfsmitteln, die zwar durchaus gesetzlich erlaubt, aber eben nicht vegan sind.
Wer sichergehen will, achtet beim Einkauf auf die Verpackungshinweise. Nur Produkte, die als «vegetarisch» oder «vegan» bezeichnet sind, enthalten tatsächlich kein Fleisch – oder im Fall der veganen Produkte gar keine tierischen Inhaltsstoffe.
Andrea Schmid
Dipl. Drogistin HF
Wann braucht es ergänzende Mineralstoffe bei vegetarischer Ernährung?
Je nachdem, ob man Milchprodukte zu sich nimmt oder nicht, können unterschiedliche Mineralstoffe oder Vitamine fehlen. Generell gilt: Wer sich unausgewogen ernährt, kann einen Nährstoffmangel haben – unabhängig davon, ob jemand Vegetarier oder Fleischesser ist.
Worauf ist bei der Einnahme von Eisen, Kalzium und Vitamin B12 zu achten?
Damit der Körper Eisen besser verwerten kann, sollte es nüchtern mit etwas Orangensaft eingenommen werden, da Vitamin C die Aufnahme verbessert. Kalzium bindet das Eisen, es sollte darum nicht zeitgleich ein-
genommen werden. Ich empfehle, hohe Dosen auf den Tag aufzuteilen. Zusätzlich Vitamin B12 einnehmen sollten alle, die kaum Eier oder Milchprodukte zu sich nehmen. Schwangeren und Stillenden empfehlen wir, betreffend Vitamin B12 mit dem Arzt Rücksprache zu nehmen.
Ist eine ärztliche Kontrolle notwendig?
Wenn Vegetarier die erwähnten Punkte beachten, ist eine ärztliche Kontrolle nicht notwendig. Während der Schwangerschaft und Stillzeit, im Wachstum und auch im Alter ist eine regelmässige Kontrolle jedoch sinn-
voll. Die Einnahme hoher Dosen von Eisen oder Kalzium empfehle ich ebenfalls nur in Absprache mit
einem Arzt.