Seit einiger Zeit dürfen Apotheken bestimmte Arzneimittel ohne Rezept abgeben. Damit wird die Kompetenz der Apothekerinnen und Apotheker besser genutzt, wodurch sich für die Patientinnen und Patienten viele Vorteile ergeben.
Apothekerinnen und Apotheker verfügen über ein grosses medizinisches Wissen. Dieses dürfen und sollen sie im Zuge der Heilmittelgesetzanpassung stärker in ihren Berufsalltag einbringen. Bereits seit 2019 können sie rezeptpflichtige Medikamente zur Behandlung bestimmter, häufig auftretender Krankheiten direkt in der Apotheke dokumentiert abgeben. Seit Juli 2021 wurde die Liste der Arzneimittel, die ohne ärztliches Rezept abgegeben werden können, um einige schmerzstillende Mittel erweitert. Darunter fallen Paracetamol, Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Diclofenac, Metamizol und Naproxen. Zwar waren viele Analgetika (schmerzstillende Medikamente) zuvor bereits rezeptfrei erhältlich, neu können sie auch höher dosiert in der Apotheke bezogen werden. Die Abgabe wird über einen Fragenkatalog dokumentiert. Ebenfalls wird die Medikamentenabgabe bei chronischen Krankheiten erleichtert: Arzneimittel zur Weiterführung einer Dauermedikation können während eines Jahres nach der ärztlichen Erstverschreibung ebenso von den Apothekerinnen und Apothekern rezeptfrei abgegeben werden.
Anpassung bringt viele Vorteile mit sich
Ohne Rezept bedeutet nicht, dass Medikamente leichtfertig abgegeben werden. Die erleichterte Abgabe ist mit klaren Vorgaben und einer sorgfältigen Dokumentation verbunden. Patientinnen und Patienten müssen persönlich in der Apotheke vorbeikommen und einen festgelegten Fragenkatalog beantworten. Schwangere und stillende Frauen sind von der erleichterten Abgabe ausgeschlossen. Zudem gelten Altersbeschränkungen sowie eine maximale Therapiedauer bei Schmerzmitteln. Das ermöglicht eine zügige und unkomplizierte Versorgung der Betroffenen ohne Voranmeldung und lange Wartezeiten. Ein Vorteil in einer Zeit, in der längst nicht mehr alle einen Hausarzt haben. Personen, die eine Schmerztherapie machen, haben nun die Möglichkeit, die Einnahme ihrer Medikation bis zum nächsten Arzttermin zu überbrücken. Weil die Häufigkeit von Arztbesuchen dadurch reduziert werden kann, birgt die erleichterte Abgabe auch das Potenzial, das Gesundheitssystem kosteneffizienter und patientenorientiert mitzugestalten.
Die erweiterte Kompetenz der Arzneimittelabgabe unterstreicht die wichtige Funktion der Apotheken in der gesundheitlichen Versorgung. Mit den neuen Rechten haben Apothekerinnen und Apotheker jedoch auch neue Pflichten und eine grössere Verantwortung gegenüber Patientinnen und Patienten.
Schmerz lass nach
Das gilt auch bei der Abgabe von Schmerzmitteln. Konsumstudien zeigen, dass fast die Hälfte der Anwendenden nicht über die Nebenwirkungen und Gefahren bei unsachgemässer Einnahme Bescheid wissen und höhere Dosierungen anwenden als empfohlen. Eine gute Beratung steuert diesem Umstand entgegen. Bei leichten bis mittelstarken akuten Schmerzen wie Kopf-, Zahn-, Gelenk-, Rücken- und Menstruationsschmerzen können Betroffene die Apotheke als erste Anlaufstelle nutzen. Die rasche fachmännische Beratung und Abgabe der passenden Medikation lindern in der Regel die Schmerzen. Darüber hinaus kann das Risiko reduziert werden, dass Schmerzen chronisch werden. Stellt die beratende Fachperson bei der Abklärung Auffälligkeiten fest, wird eine ärztliche Konsultation angeraten. In einigen Fällen, besonders bei leichten Schmerzen, könnten hingegen der Verzicht auf Schmerzmittel oder natürliche Alternativen sinnvoll sein.
Verantwortungsvoller Umgang mit Schmerzmitteln
Schmerzmittel sollten grundsätzlich nur kurzfristig auf eigene Verantwortung eingenommen werden. Nach drei Tagen gilt es, die Situation neu zu beurteilen: Hat man zum Beispiel noch immer starke Kopfschmerzen, sollte genauer hingeschaut werden. Bei einem verstauchten Fussgelenk ist eine längere Schmerzmitteleinnahme möglich, da ein solcher Schmerz im Normalfall länger anhält.
Häufige Nebenwirkungen von Analgetika sind Magenprobleme: Sie können von leichten Bauchschmerzen oder Schleimhautentzündungen bis hin zu Blutungen im Magen-Darm-Trakt reichen. Wendet man Schmerzmittel nach der Faustregel «so wenig wie möglich, so viel wie nötig» an und schützt den Magen gegebenenfalls durch die Einnahme eines magenschonenden Medikaments, lässt sich das Risiko für Nebenwirkungen senken. Zu beachten sind zudem mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. Zu schwerwiegenden Wechselwirkungen kann es besonders in Verbindung mit Alkohol kommen: Die Kombination aus Alkohol und Schmerzmitteln greift den Magen stark an. Schmerzmittelüberkonsum kann auch weitere Organe wie Niere und Leber belasten. Vergiftungen oder eine Abhängigkeit sind möglich.
Um eine unsachgemässe Anwendung und Schmerzmittelmissbrauch zu verhindern, leisten die Fachpersonen in der Apotheke Aufklärungsarbeit und sensibilisieren für die Einhaltung der Dosierung und der Einnahmeintervalle.
Schmerzen als Warnsignal
Schmerzen sind ein wichtiges und biologisch notwendiges Alarmsystem des Körpers und weisen auf eine mögliche Verletzung hin. Akute Schmerzen sind eine unmittelbare Reaktion auf eine Entzündung oder Schädigung. Sie signalisieren, dass eingegriffen werden muss. Chronische Schmerzen sind lang anhaltend und können über mehrere Wochen, Monate oder gar Jahre andauern. In solchen Fällen verliert der Schmerz seine Funktion als Warnsignal. Chronischer Schmerz kann die Lebensqualität von Betroffenen sehr stark beeinträchtigen. Hier bedarf es vom Facharzt individuelle, auf den Patienten zugeschnittene Schmerztherapien, um Abhilfe zu schaffen und für nachhaltige Schmerzlinderung zu sorgen.
Simone Nussbaumer
Apothekerin und Co-Betriebsleiterin
In welchen Fällen geben Sie Schmerzmittel erleichtert ab?
Sofern nichts dagegenspricht, geben wir auf Kundenwunsch Schmerzmittel der Liste B+ ab. Jedoch kommt es darauf an, um welche Art von Schmerzen es sich handelt, wie lange sie andauern und ob sie bereits ärztlich behandelt wurden. Wir schauen jeden Fall individuell an.
Wie ist der Ablauf?
Die betroffene Person muss persönlich zu uns kommen und wird im Dossier elektronisch erfasst. Wir füllen einen ausführlichen Fragebogen aus und anhand der Antworten wird die Medikamentenabgabe beurteilt. Für diese Dienstleistung verrechnen wir in der Apotheke eine Abklärungs- und Dokumentationsgebühr von 12 Franken.
Was gilt es bei der Schmerzmitteleinnahme besonders zu beachten?
Es muss abgeklärt werden, ob andere Medikamente eingenommen werden, die ein mögliches Interaktionspotenzial besitzen. Allergien, Magenverträglichkeit und weitere Faktoren werden ebenfalls berücksichtigt. Grundsätzlich ist die Behandlungsdauer ohne ärztliche Konsultation auf sieben Tage begrenzt.
Ist bei der Abgabe von Schmerzmitteln ein Nachsorgegespräch ratsam?
Wenn die Schmerzen nicht nachlassen, sollte nach spätestens drei Tagen eine neue Beurteilung telefonisch oder persönlich in der Apotheke erfolgen. Je nach Indikation entscheidet die Apothekerin oder der Apotheker dann, ob die Schmerztherapie fortgesetzt werden kann oder ein Besuch in einer Arztpraxis erfolgen sollte.