Bereits mit der Geburt hat das Immunsystem von Neugeborenen einiges zu leisten und muss sich rasch auf neue Umstände einstellen. Wir erklären, wie es das schafft und wie Eltern die Abwehrkräfte ihres Kindes unterstützen können.
Eltern kennen das: Kaum kursieren die ersten Erkältungsviren im Herbst, hat es die Kleinsten meistens schon erwischt. Schnupfen und Husten sind während der kälteren Jahreszeit für viele Familien stetige Begleiter. Babys und Kleinkinder reagieren auf die Viren oft besonders heftig und entwickeln Fieber – der Grund dafür liegt in ihrem Immunsystem.
Zweiteiliges Immunsystem
Unser Immunsystem schützt den Körper vor Krankheitserregern wie Viren oder Bakterien. Es besteht aus zwei Teilen: dem angeborenen und dem erworbenen Immunsystem. Während der angeborene Teil bei der Geburt bereits ausgebildet ist – zu ihm gehören beispielsweise die Fresszellen, die schnell, aber unspezifisch auf körperfremde Substanzen reagieren –, muss der erworbene Teil wie zum Beispiel spezifische Antikörper noch viel lernen, bis er seine Aufgabe, Eindringlinge gezielt abzuwehren, erfüllen kann. Der erworbene Teil ist daher bei Neugeborenen ein nahezu unbeschriebenes Blatt und hat ab der Geburt einiges zu tun. Damit es mit dieser Aufgabe nicht überfordert ist, bekommt es bereits während der Schwangerschaft Unterstützung. Das Ungeborene erhält über die Plazenta, die es im Mutterleib versorgt, die Antikörper der Mutter. Sie sorgen für den Nestschutz, der Babys in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten vor jenen Krankheiten bewahrt, welche die Mutter bereits durchgemacht hat oder gegen die sie geimpft wurde.
Training für das Immun-Gedächtnis
Mit der Geburt beginnt das Training für Babys Abwehrkräfte. Damit die Immunzellen dereinst erfolgreich gegen Eindringlinge vorgehen können, müssen sie diese kennenlernen. Nur wenn die Erreger im Körper waren, kann das Immunsystem sie im Gedächtnis speichern. Die Folge: Babys und Kleinkinder machen bis zu zwölf Infekte pro Jahr durch. Das ist zwar sowohl für die Kleinen als auch für die Eltern anstrengend, aber jeder durchgemachte Infekt hinterlässt «positive» Spuren im Immunsystem in Form von Antikörpern. Kommen Babys mit denselben Erregern wieder in Berührung, kann ihr Abwehrsystem schneller aktiv werden und diese gezielter bekämpfen. Auch auf neue Eindringlinge vermag es besser zu reagieren. «Das Immunsystem von Babys arbeitet intensiv, da es noch lernt. Darum reagieren sie auch bei leichten Infekten wie Erkältungen stark, etwa mit hohem Fieber», erklärt Madeleine Piazza, eidg. dipl. Apothekerin und Betriebsleiterin in Ebikon. «Mit jeder durchgemachten Erfahrung wird das Abwehrsystem stärker.»
Infekte können für Säuglinge gefährlich sein
Die Apothekerin rät davon ab, Babys mit zu viel Hygiene zu umsorgen: «Babys sollten in Kontakt mit ihrer Umgebung und neuen Erregern kommen, nur so wird ihr Immunsystem angeregt.» Vorsicht sei bei Säuglingen unter drei Monaten geboten: «Bei ihnen ist die Hygiene wichtig. Sie reagieren auf Infekte oft mit hohem Fieber, was in diesem Alter gefährlich werden kann.» Auch bei Lippenherpes oder Bindehautentzündungen sollte man nach Möglichkeit auf Abstand gehen und auf eine gute Handhygiene achten, da beide Krankheiten hoch ansteckend sind. Zudem kann Herpes für Säuglinge sehr gefährlich werden, und die Mutter sollte beim Stillen gegebenenfalls einen Mund-Nasen-Schutz tragen.
Vitamine helfen Mutter und Kind
Mütter können die Abwehrkräfte ihres Kindes schon während der Schwangerschaft unterstützen. «Die Einnahme von Multivitaminpräparaten sowie eine ausgewogene Ernährung helfen, das Immunsystem der werdenden Mutter zu stärken. Dies kann positive Effekte auf die Abwehrkräfte des Babys haben», betont Madeleine Piazza. Ebenfalls empfehlenswert sei es, dass Schwangere ihren Impfstatus mit ihrem Hausarzt oder Gynäkologen überprüfen. Nach der Schwangerschaft unterstützt Stillen die Entwicklung des Immunsystems. «Über die Muttermilch erhalten die Kinder weiterhin Antikörper, die den Infektionsschutz erhöhen und die Abwehr stärken», sagt die Apothekerin. Frauen, die sich für das Stillen entscheiden, sollten auf eine ausgewogene Ernährung achten, da sie die Qualität der Muttermilch beeinflusst. Auch die Einnahme der Multivitaminpräparate empfiehlt Madeleine Piazza.
Immunsystem stärken
Das Stillen ist nur ein Faktor von vielen, die das Immunsystem beeinflussen. Die Ernährung des Kindes, Umwelteinflüsse und Bewegung im Freien sind genauso wichtig. Mütter, die nicht stillen können oder möchten und ihr Kind mit Säuglingsmilch ernähren, müssen sich keine Sorgen machen. «Die heutigen Produkte sind sehr ausgewogen, der Muttermilch sehr ähnlich und reich an Vitaminen, Nährstoffen sowie weiteren wichtigen Stoffen für das Immunsystem des Babys», ergänzt Madeleine Piazza. Wer das kindliche Immunsystem zusätzlich unterstützen möchte, kann dies durch die Verabreichung von Probiotika tun. Sie unterstützen die Darmflora, die wiederum Einfluss auf die Abwehrkräfte hat. Unser Immunsystem ist von klein auf ein Wunder der Natur. Bei Fragen rund um das Abwehrsystem von Babys beraten Sie gerne die Fachpersonen in Ihrer Apotheke oder Drogerie.
Einfluss der Darmbakterien bei der Geburt
Studien zeigen, dass offenbar auch die Geburt Einfluss auf das Immunsystem hat. Der Grund dafür befindet sich im Darm: Bei einer vaginalen Geburt werden bestimmte Darmbakterien von der Mutter auf das Baby übertragen. Diese stimulieren die körpereigene Immunabwehr. Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, weisen eine andere Darmflora auf und ihnen können gewisse nützliche Bakterien fehlen. Ob und welche Folgen dies hat, ist noch nicht geklärt. Ob Kaiserschnittkindern die fehlenden Bakterien nachträglich verabreicht werden können, ist noch Gegenstand der Forschung.