Weihnachts-Zauber mit Elly

Weihnachtszauber mit Elly

Eichhörnchen-Mädchen Elly führt ein behagliches Leben mit ihrer Familie im Wald. Zu Weihnachten erlebt sie ein kleines Abenteuer, sorgt für ein glitzerndes Weihnachtswunder und erstaunt dabei am meisten sich selbst.

Es war sehr kalt am Tag vor Weihnachten, Elly fröstelte und manchmal klapperten gar die Zähne. Gerade bei diesem Wetter musste sie die versteckten Vorräte bei der grossen Tanne im Dorf holen. Als Jüngste der Familie, zum ersten Mal überhaupt und dann noch allein. Ein wilder Bergbach lag auf dem Weg ins Dorf, je nach Jahreszeit führte er mehr oder weniger Wasser. Manchmal, nach heftigem Regen, hörte sie sein Rauschen von weit weg. Verzweifelt setzte sich Elly auf den kalten Ast vor ihrem Zuhause. Wie in aller Welt sollte sie diesen Bach überqueren? Die Brücke war zu weit weg. Dicke Tränen quollen aus ihren dunklen Augen. Einige davon kullerten auf Onkel Ferdinands Zeitung, der zwei Äste unter ihr beim Kaffee sass. Er nahm seine Brille ab und blickte überrascht hoch: «Elly, komm doch zu mir runter.» Ferdinand war früher ein mutiger und hilfsbereiter Eichhörnchen-Junge. Nun war er nicht mehr gut zu Pfote, seine geduldige, ruhige Art ergänzte er mit seiner reichen Lebenserfahrung. Elly mochte Ferdinand sehr.

Das Eichhörnchen-Mädchen klagte dem Onkel seine Angst vor dem Weg ins Dorf über den wilden Bergbach, vorbei an den Bauernhöfen und durch die engen Gassen bis hin zur Dorftanne. Ferdinand lebte schon viele Jahre an diesem Ort und kannte jeden Ast und jeden Stein. Etwas schwerfällig löste er sich aus dem Ast und machte sich gemeinsam mit Elly in Richtung Bergbach. Mittlerweile begann es zu schneien. Als sie den Bach fast erreicht hatten, fragte Ferdinand: «Hörst du das Rauschen?» Elly spitze konzentriert die Ohren. «Nein», antwortete das Eichhörnchen-Mädchen erstaunt. Ferdinand erklärte: «Wenn es ganz kalt ist, wird aus dem Wasser Eis, so wie die Eiszapfen, die du schon gesehen hast. Vielleicht fliesst unten noch etwas Wasser, aber oben ist eine dicke Eisschicht.» Als sie näher kamen, war vom Bach fast nichts zu sehen, ein paar Äste ragten raus und manchmal blitzte das spiegelglatte Eis, andere Stellen waren schneebedeckt. Ferdinand trat auf den Bach und sprang, so gut es ging, dreimal in die Luft. «Siehst du, ich stehe auf dem Bach und nichts passiert. Du kannst über den Bach laufen, meide aber die glatten Eisflächen.» Erstaunt hatte Elly zugesehen und setzte vorsichtig eine Pfote vor die andere. Ferdinand ermunterte sie: «Siehst du, es funktioniert! Von hier ist es nicht mehr weit ins Dorf. Danach musst du nur den Lichtern folgen.»

Tanne Elly

Als sie ihren Onkel erreicht hatte, legte dieser seinen buschigen Schwanz auf Elly, dabei löste sich etwas Goldenes aus seinem Fell und übertrug sich unbemerkt auf Elly. «Damit wird Elly andere glücklich machen», sagte er leise zu sich selbst. Die Schneeflocken fielen schwerer und dichter. Ferdinand verabschiedete sich von seiner Nichte: «Du wirst den Vorrat finden. Du bist das tapferste Eichhörnchen-Mädchen, das ich kenne.» Elly drückte sich noch einmal fest an ihren Onkel und hüpfte vorsichtig über den Bach. Einmal erwischte sie eine glatte Fläche und machte ungewollt einen perfekten Spagat, versuchte noch, mit den Armen die Balance zu finden, und strauchelte. Schnell fand sie wieder Halt und hüpfte zuerst bedächtig und nach wenigen Metern flink davon.

Stern Elly

Die ersten Bauernhäuser hatte Elly bereits hinter sich gelassen. Jetzt kam sie am Skilift vorbei. Der Mann, der den Lift bediente, begrüsste eilig den Pistenraupenfahrer, der nun seine Schicht antrat, um die Skipiste für den nächsten Tag zu präparieren. Es dämmerte. Die Gässchen im Dorf waren von Lichtern gesäumt. Wenige Dorfbewohner erledigten noch die letzten Einkäufe und stapften über die schneebedeckten Pflastersteine. Elly angelte sich von Dach zu Dach. Die Tanne war nicht zu übersehen. Sie stand in der Dorfmitte neben dem Brunnen, und ein grosser leuchtender Stern zierte ihre Spitze. Der Vorrat war gut versteckt, aber schnell gefunden. Beim Anblick lief Elly das Wasser im Mund zusammen. In der Zwischenzeit war es Abend geworden, die Läden wurden geschlossen und es wurde still. Um Energie für den Heimweg zu tanken, gönnte sich Elly ein Rindenstück. Sie genoss die Aussicht vom hohen Baum und liess ihren Blick gedankenversunken über die Landschaft und das Dorf schweifen. Irgendwo am Berg waren Lichter zu sehen. Sie bewegten sich langsam in der Dunkelheit. Hie und da bimmelten ein paar Ziegenglöckchen. Durch viele Fenster sah sie reich bedeckte Tische und glückliche Gesichter. In einem meinte Elly den Mann vom Skilift zu erkennen.

Ihr Blick blieb beim Haus stehen, das direkt bei der Tanne stand. Es wohnten alte Menschen da, offenbar hatten sie schon gegessen. Einige sassen bei einer Tasse Tee zusammen und schauten einen Weihnachtsfilm. In einem Zimmer entdeckte Elly eine Frau. Sie sass im Schaukelstuhl und starrte aus dem Fenster zur grossen Tanne. Elly trat näher. Auf dem Tisch stand ein Bild aus früheren Tagen, es zeigte ein junges Paar vor der Dorftanne. In einem anderen Haus war alles dunkel, nur in einem Zimmer brannte Licht. Ein kleiner Bub schaute traurig aus dem Fenster. Elly fragte sich, ob er an diesem Abend wohl allein sei. Vielleicht mussten seine Eltern arbeiten, wie der Mann, der die Pisten präpariert. Betroffen kletterte Elly mit den Vorräten bepackt den Baum hinunter. Dabei merkte sie, dass es glitzerte, wenn sie ihren Schwanz bewegte. «Zab zab» – und es regnete golden, nochmals «zab zab», noch mehr Gold! Und nochmals «zab zab», Elly traute ihren Augen nicht. Der Goldstaub verteilte sich auf der Tanne. Elly sah, dass die Frau vom Schaukelstuhl ans Fenster trat, auch sie hatte bemerkt, dass sich bei der Dorftanne etwas tut. Elly stellte die Vorräte ab und kletterte schnell zur Krone des Baums hinauf und dann von Ast zu Ast zum Stamm. Sie wedelte dabei aufgeregt mit dem Schwanz. Nach wenigen Minuten glänzte die Tanne golden. Die Frau hatte die ganze Zeit am Fenster gestanden und lächelte. Auch der kleine Junge musste das Spektakel gesehen haben. Er tanzte jetzt vergnügt auf dem Dorfplatz und fing an, eine Figur aus Schnee und dem heruntergefallenen Goldglitzer zu bauen. Plötzlich gesellten sich auch andere Dorfbewohner unter die Tanne. Sie wünschten einander schöne Festtage oder standen einfach da und staunten. Manche hatten Guetzli und Kerzen dabei. Um die Schneefigur des Buben gesellte sich nun die Familie des Skiliftwarts. Mit vereinten Kräften bauten sie diese zu Ende. Elly war ausser sich vor Freude, dass sie mit ihrem Glitzer so viel Begeisterung auslösen konnte. Plötzlich schlug die Kirchenuhr 19 Uhr – «Ach herrje, die Vorräte!», dämmerte es dem Eichhörnchen-Mädchen. Elly hätte bereits vor einer halben Stunde zu Hause sein müssen. Hastig kletterte sie die Tanne hinab. Als Elly über den Dorfplatz eilte, hörte sie den kleinen Buben rufen: «Schaut mal, ein Eichhörnchen!» Ein besonders grosses Glitzerstück steckte in seiner Wollmütze.

Die Lichter am Hügel zogen noch immer langsam ihre Bahnen und Elly dachte an den Mann, der die Pisten präparierte. Vor dem Skilift machte sie Halt, sein Auto stand verlassen auf dem grossen Parkplatz. Elly wedelte und wedelte «zab zab, zab zab» – innert Kürze leuchtete der Platz um seinen Wagen golden. Elly setzte ihren Heimweg fort, kurz vor dem Bach schaute sie aber nochmals zum Pistenraupenfahrer hoch. Dabei glaubte sie ein kurzes Lichtzeichen zu bemerken. Vorsichtig überquerte sie den Bach, und als sie sich der Lärche näherte, in der sie mit ihrer Familie wohnte, vernahm sie Rufe: «Elly!», «Elly, wo bist du?», «Elly!». Es war jetzt bereits halb acht Uhr, alle mussten sich grosse Sorgen gemacht haben. Elly beeilte sich, und erst als sie den Stamm erreicht hatte, merkte sie, wie sehr sie zitterte und wie hungrig sie war. Als das Eichhörnchen-Mädchen das Nest erreicht hatte, war sein Fell voller Eisklümpchen und Goldstaub. Mama nahm Elly sofort die schweren Vorräte ab. Ferdinand erhob sich vom Sessel, nahm Elly in die Arme und flüsterte ihr ins Ohr: «Nur einzigartige Eichhörnchen können Glitzer wedeln. Die besonders mutigen und die besonders hilfsbereiten. Du wirst uns viel zu erzählen haben.»

Elly

Nach dem Festessen setzten sich alle ans Feuer und Elly erzählte von ihren Abenteuern: wie sie den Weg ins Dorf gefunden hatte, vom Pistenraupenfahrer, der einsamen alten Frau und vom traurigen Buben. Wie überrascht sie war, als ihr Schwanz plötzlich Glitzer verteilte, der den ganzen Baum goldig zauberte und das Parkfeld des Pistenfahrers verzierte. Am meisten freute sie sich darüber, wie sich Jung und Alt unter der Tanne versammelten. Ellys Papa war der Stolz wahrlich ins Gesicht geschrieben. Nach dem Dessert kuschelte sich Elly müde und zufrieden für die wohlverdiente Winterruhe an Mama. Bevor ihre Augen zufielen, wedelte sie noch einmal mit dem Schwanz. Etwas Glitzer fiel von der Lärche in den Schnee.